Artikel aus der
Stuttgarter Zeitung
vom 21.11.2003

 


Debatte um den Ausbau der Schleyerhalle
 
Höhere Zuschauerkapazität durch Erweiterung - Kein Trainingsbetrieb mehr für Radsport - Großes Foyer, mehr Kioske
 
Die Stadt hat die Alternativplanung zum Bau der Boschhalle präsentiert: die Modernisierung der Schleyerhalle für 21 Millionen Euro. Der Oberbürgermeister ist gegen diese Art von Flickschusterei, er favorisiert weiter den Neubau von Investor Harry Harkimo.

Von Jörg Nauke

Die Entscheidung, ob und in welcher Form am Wasen gebaut wird, fällt nach vierjähriger Debatte noch vor Weihnachten. OB Schuster macht keinen Hehl daraus, dass er die Boschhalle nach den Vorstellungen des Finnen Harkimo zwischen Schleyerhalle und Daimlerstadion realisiert sehen will. Dafür hat er zur Etatberatung vorsorglich 7,5 Millionen Euro beantragt. Das hat er auch gestern bei der Pressekonferenz, in der die Pläne für die Möglichkeit einer Erweiterung der Schleyerhalle präsentiert wurden, noch einmal deutlich zum Ausdruck gebracht.

"Wir hätten dann zwei Hallen, die sich ergänzen", betonte Schuster. Und das Risiko liege nicht bei der Stadt, sondern bei dem privaten Investor und Betreiber. Harkimo hat freilich derzeit in Hamburg finanzielle Probleme mit seinem Vorzeigeprojekt Color Line Arena. Dort stimmt die Auslastung nicht, das Unternehmen benötigte eine Finanzspritze von drei Millionen Euro, um vor der Insolvenz gerettet zu werden.

Trotz aller Vorbehalte hat Schuster gestern betont, es sei richtig, dem Gemeinderat eine Alternative anzubieten. Das Architekturbüro Arat & Siegel und die Professor Weiss & Partner Projektsteuerungsgesellschaft (PWP) wurden beauftragt, Möglichkeiten einer Modernisierung der Schleyerhalle zu prüfen.

Die Machbarkeitsstudie, die dem Gemeinderat nächste Woche präsentiert wird, zeigt, was verbessert und wie die Zuschauerkapazität erhöht werden könnte. Die Defizite sind klar: Der Eingangsbereich ist zu klein, und es fehlen Garderoben. Die Radrennbahn beschränkt zudem die Zuschauerkapazität. Das verwundert nicht: Die Schleyerhalle wurde 1983 als Sporthalle gebaut. Die Untersuchung hat ergeben, dass für 21 Millionen Euro "die grundlegenden Mängel beseitigt werden könnten". Die Messe GmbH als Betreiber hätte dann "für den kommenden Wettbewerb eine konkurrenzfähige Halle". Sie sei aber nicht mit einem Neubau gleichzusetzen.

Ein weiter gehender Vorschlag sieht das Anheben das Daches vor. Diese 40 Millionen Euro teure Variante erhält aber schlechte Noten. Notwendig wären der ohnehin vorgesehene Ersatz der Videotafeln und der Ausbau der Nebenhallen für drei Millionen Euro. Dazu kommt ein neues Kopfgebäude mit einem von außen zugänglichen Restaurant. Wesentlich ist der zweite Rang in den Kurven, der Ausbau des Umlaufs durch eine Aufweitung in den Ecken, sodass es Platz für Kioske und Verpflegungsstände gäbe, und die Überbauung der Kurven mit demontierbaren Tribünen. Damit würde die Zahl der Sitzplätze von 5820 auf 9960 und die Kapazität der Halle von 13 000 auf 16 000 erhöht.

Nachteil: das Sechstagerennen wäre zwar noch möglich, der vertraglich zugesicherte Trainingsbetrieb für Radsportler an 55 Tagen im Jahr aber nicht mehr. Eine Trainingshalle für die Pedaleure zu bauen, die wohl 5,5 Millionen Euro kosten würde, hält Schuster für unrealistisch. Messechef Klaus-Dieter Heldmann verwies darauf, dass nur an zwei bis drei Tagen Kaderathleten ihre Runden drehten, ansonsten Freizeitfahrer.

Für die Stadträte sollen nun zum besseren Vergleich Investitions-, Betriebs- und Folgekosten der Varianten gegenübergestellt werden. Noch ist auch dem OB nicht klar, welches Vorhaben für die Stadt günstiger ist. "Ich habe keine 21 Millionen Euro für die Modernisierung übrig", sagte er. Aber solch ein Zuschuss für die Schleyerhalle steht gar nicht zur Debatte. Abzüglich der beantragten 7,5 Millionen Euro für eine Lösung am Wasen müsste Heldmann nur noch 13,5 Millionen Euro finanzieren. Dieses Darlehen koste die Messe eine Million Euro pro Jahr - diesen Betrag hat PWP als zusätzlichen Erlös infolge der höheren Zuschauerkapazitäten errechnet. Und die Halle boomt: 132 Veranstaltungen sind es allein in diesem Jahr. Und der Terminkalender fürs erste Quartal 2004 sei voll, betonte Heldmann.

In der Debatte müsste zudem berücksichtigt werden, dass für die Boschhalle mehr als nur die Harkimo versprochenen 7,5 Millionen Euro nötig wären: 3,9 Millionen Euro sind für technische Erschließung, Altlastenbeseitigung und als Entschädigung an die Messe für die Rollsporthalle zu bezahlen; außerdem erhielte Harkimo pro Jahr 770 000 Euro für die Instandhaltung der Schleyerhalle und als Ausgleich für die Sportgarantie. Dass die Stadt die Grundsteuer für die Schleyerhalle übernehmen und zudem Miete bezahlen müsste, wollte sie Eigenveranstaltungen wie das Reitturnier weiter durchführen, wird in der Abwägung auch eine Rolle spielen.
 
21.11.2003 - aktualisiert: 21.11.2003, 05:06 Uhr