Artikel
aus der Stuttgarter Zeitung vom 17.12.2002
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Daimlerstadion
und Großsporthalle:
alles neu macht erst der Mai In dieser Woche
Debatten über Bau der Gegentribüne - Investor
Harkimo verhandelt über Multifunktionsarena - Warten auf Olympia-Entscheidung
"Daimlerstadion" und "Großhalle"
stehen in dieser Woche im Terminkalender von Oberbürgermeister
Wolfgang Schuster. Wohin bei beiden Projekten die Reise geht, wird
sich allerdings erst nach der Olympia-Entscheidung im April kommenden
Jahres weisen. Von Jörg Nauke Die Modernisierung
des Daimlerstadions ist in dieser Woche Thema in drei Ausschüssen,
bevor der Gemeinderat in seiner letzten Sitzung vor den Weihnachtsferien
der Verwaltung den Auftrag erteilten wird, zügig weiterzuplanen.
Vier Jahre vor dem Anpfiff der Fußball-WM 2006 hat sich Schuster
vom Traum, ein Halbfinalspiel ausrichten zu können, verabschiedet.
Die notwendige Zuschauerkapazität von 60 000 Sitzen kann nicht
erreicht werden, wenn man sich an die neue Versammlungsstättenverordnung
hält. Aber auch die zur Auswahl stehenden abgespeckten
Versionen eines Neubaus der Gegentribüne bergen Diskussionsstoff,
wie gestern im Sportausschuss deutlich wurde. Die Verwaltung schlägt
neben den unstrittigen Verbesserungen der Stadiontechnik, des Baustandards
und der Infrastruktur sowie dem Kauf neuer Videotafeln für
insgesamt 30 Millionen Euro einen Neubau der Gegentribüne und
einen zweiten Rang mit 2200 Sitzplätzen vor. Presse- und Ehrenplätze
berücksichtigt, ergebe sich für ein WM-Viertelfinale eine
Kapazität von 48 900 Zuschauern. Bei Vorrundenspielen fänden
53 237 Fußballfans Platz, bei Bundesligaspielen 54 228. Die
Gesamtkosten betragen für diese Variante etwa 57,1 Millionen
Euro. Angesichts der schlechten Kassenlage würden
sich CDU und Grüne auch mit weniger zufrieden geben. Eine billigere
Version enthält auch den Abbruch des Oberranges (ohne den davor
liegenden Erdwall) und einen Neubau mit drei Ebenen, verzichtet
aber auf den zusätzlichen zweiten Rang. Dennoch stellt auch
sie eine WM-taugliche Lösung dar. Die Projektsteuerungsgesellschaft
Ernst & Young kommt bei ihrer Beurteilung zum Ergebnis, dass
auch diese Variante "einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung
des Alltagsbetriebs des Stadions" leiste. Ein WM-Viertelfinale
könnten bei diesem Vorschlag 46 700 Zuschauer sehen, die Kosten
werden mit 54,7 Millionen Euro veranschlagt. Sollte freilich der
zweite Rang nachträglich eingebaut werden, müssten "größere
Eingriffe in die fertige Gegentribüne vorgenommen werden, die
auch die Gründung betreffen", warnen die Projektsteuerer.
Dies wäre dann der Fall, wenn die Arena zum Olympia-Stadion
ausgebaut werden müsste. Eine Vorentscheidung darüber
fällt bekanntlich am 12. April kommenden Jahres. Würde
Stuttgart nicht zum offiziellen Kandidaten des Nationalen Olympischen
Komitees (NOK) gekürt, wäre ein zweiter Rang kaum noch
zu rechtfertigen, im Erfolgsfall könnte man nicht darauf verzichten.
Dies hat man im Rathaus erkannt. Der Sportausschuss hat die Architekten
beauftragt, vorerst beide Varianten weiter zu planen, bis dann im
Mai 2003 der Ausbaustandard endgültig festgelegt wird.
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Dann soll auch wieder über
die Multifunktionsarena debattiert werden. Der inoffizielle Sieger
des Investorenwettbewerbs, der Finne Harry Harkimo, kommt aber schon
in dieser Woche nach Stuttgart, um über das 85 Millionen Euro
teure Projekt zu verhandeln. Die Diskussionsgrundlage hat sich gegenüber
dem letzten Treffen allerdings verändert: 12,8 Millionen Euro,
die eigentlich für die Halle gedacht waren, werden nun verwendet,
um Haushaltslöcher zu stopfen. Er werde Harkimo deutlich machen,
dass die Stadt mit Ausnahme des Grundstücks und der Überlassung
der Schleyerhalle nichts beisteuern könne, sagte Schuster.
Harkimo, Vorstandschef der JHC Arena Holding Oy, die in Hamburg
die Color Line Arena errichtet hat, hofft freilich auf mehr. Die
finnische Zeitung "Helsingin Sanomat" zitiert ihn in ihrer
Ausgabe vom 8. Dezember mit den Worten, in Stuttgart seien die Investitionsbedingungen
günstiger als in Hamburg, weil die Schwaben bereit seien, sich
am Bau der gesamten Halle zu beteiligen, während die Norddeutschen
nur das Grundstück beigesteuert hätten. Der expansionswillige
Harkimo würde am liebsten im Frühjahr zu bauen beginnen,
schließlich hat sein Planungsteam nun Kapazitäten frei.
Schuster wartet gespannt auf das Finanzierungskonzept des ehrgeizigen
Finnen, stellt er sich doch die Frage, ob Harkimo von seinen skandinavischen
Finanzpartnern auch in den tiefen Süden begleitet würde.
Für die Color Line Arena hatten im Vorfeld der Grundstücksverhandlungen
mit der Freien und Hansestadt Hamburg zwei Unternehmen Garantien
von etwa 43 Millionen Euro abgegeben für noch nicht erzielte
Erlöse aus Namens- und Verkaufsrechten sowie dem (weiterhin
schleppend verlaufenden) Verkauf von Logen und Businessplätzen.
Die norwegische Sponsor Service ASA, eine Agentur für Fernseh-
und Internetrechte mit einem Konzernumsatz von 98 Millionen Euro,
garantierte 15 Millionen Euro. Rautakirja, eine auf Film- und Buchhandel
spezialisierte Tochter der finnischen Sanoma WSOY, gewährt
Harkimo laut Geschäftsbericht einen Kredit von 28,6 Millionen
Euro. |